Zum Tod von Prof. Hildegard L. C. Tristram (1941–2020)
Eine persönliche Würdigung
Anfang November erreichte uns die schmerzliche Nachricht von Hildegard Tristrams Tod. Sie verstarb am 29. Oktober 2020 in Freiburg im Breisgau in ihrem 79. Lebensjahr. Mit ihr verliert die deutschsprachige Keltologie eine ihrer profiliertesten Vertreterinnen.
Hildegard L. C. Tristram Anfang der 1990er Jahre (aus: Festgabe, 2009)
Hildegard Tristram hat Anglistik und Romanistik in Münster und Freiburg studiert, aber schon in den späten 1960er Jahren lenkte ihr akademischer Freiburger Lehrer Herbert Pilch ihr Augenmerk auch auf das Studium der keltischen Sprachen und mittelalterlichen Literaturen. 1988 wurde sie in Freiburg zur Außerplanmäßigen Professorin für Anglistik und Keltologie ernannt. Bis 1993 forschte und unterrichtete sie dort, dann erhielt sie einen Ruf, der sie von Freiburg weg auf den Lehrstuhl für Englische Sprachgeschichte und mittelalterliche Literatur nach Potsdam führte. Dort wandte sich Hildegard Tristram als Leiterin des Potsdamer Projekts zur Erforschung der „Celtic Englishes“ den keltisch beeinflussten Varietäten der englischen Sprache zu. Für Freiburg war ihr Weggang ein großer Verlust, auch wenn dort weiterhin Lehrveranstaltungen von ihr angeboten wurden, denn wenige Jahre später, zum WS 2000/2001, wurde Keltologie in Freiburg als eigenständiges Fach abgeschafft und die umfangreiche keltologische Bibliothek aufgelöst. Nach ihrer Emeritierung im Jahr 2006 wirkte Hildegard Tristram als Honorarprofessorin erneut in Freiburg. Mit Bonn war Hildegard Tristram u. a. durch ihre Mitarbeit in der keltologischen Berufungskommission für die Nachfolge Prof. Stefan Zimmer verbunden, die letztlich jedoch scheiterte.
Für die Freiburger Keltologie war 1986 ein wichtiges Jahr: Der große DFG-Sonderforschungsbereich 321 „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“ war etabliert, Hildegard Tristram gelang es, mit dem Teilprojekt A 5 die Keltologie daran zu beteiligen und so in einen interdisziplinären Dialog auf Augenhöhe mit den großen Philologien zu führen. Die mittelalterliche Rinderraub-Erzählung Táin bó Cuailnge bildete den Mittelpunkt der Forschungen des keltologischen Teilprojektes. Zahlreiche Publikationen und Kolloquien entstanden daraus, und es wurden Stellen für Nachwuchswissenschaftler geschaffen. So wuchsen die Attraktivität und die Bekanntheit des Faches, und endlich bekam die Keltologie auch wieder die verdiente Anerkennung.
Frau Tristram zeigte großes Talent darin, Studierende und junge Wissenschaftler:innen in ihren jeweiligen Interessengebieten zu eigenständigen Forschungen anzuregen und deren Entfaltung zu fördern. Ihre informellen „Tee-Kolloquien“, in denen die laufenden Forschungen vorgestellt und diskutiert werden mussten, waren legendär. Unvergesslich bleiben die von ihr veranstalteten Wochenendseminare auf dem Schauinsland. Frau Tristram erwies sich auch als sehr geschickt darin, den wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Irland zu stärken, auf institutioneller und persönlicher Ebene. Der Kreis ihrer Schüler:innen vergrößerte sich, zumal Hildegard Tristram gleichermaßen im Fach Anglistik (Sprachwissenschaft und Mediävistik) und in der Keltologie lehrte. Auch ich gehörte zum Kreis der von ihr Geförderten, und ohne Frau Tristram würde ich heute ganz gewiss nicht in Bonn als Keltologe arbeiten.
Der innere Kreis dieser Studierenden bestand damals aus Stephen Tranter († 12.10.2007), Annette Pehnt und mir. Es war eine Zeit enger und intensiver Zusammenarbeit; wir lernten von ihr – aber sie auch von uns. Andere Namen, die sich mit jener Zeit verbinden, sind Gwenole Bihannic, Daniel Büchner, Gavin Falconer, Astrid Fieß, Tina Hellmuth, Naoichiro Hirashima, Sophie Hüglin, Britta Irslinger, Graham Isaac, Lars Kabel, Isabel Kobus, Stefan Mäder, Nóirín Ní Chonghaile, Meidhbhín Ní Úrdail, Feargal Ó Béarra, Brian Ó Broin, Conchubhar Ó Crualaoich, Caitríona Ó Dochartaigh, Mícheál Ó Flaithearta, Ursula Pritscher, Klaus Schneider, Britta Schulze-Thulin, Anke Simon, Sue Smith, Monika Steinert und weitere. Manche von diesen haben Berufswege außerhalb der Academia eingeschlagen, manche hatten das Glück, später eine Stelle an einer Universität zu finden. Es war eine Blütezeit der Keltologie in Freiburg zu Ende der 1980er und Beginn der 1990er Jahre, es war die kurze Blütezeit einer kleinen „Freiburger Schule“, mit der ich viele schöne Erinnerungen verknüpfe. Es war auch eine intensive Zeit intellektueller Auseinandersetzung über Inhalte und Herangehensweisen des Faches. Meine Mitarbeit im DFG-Projekt A 5 von 1989 bis 1995 führte sogar zu einer Änderung meiner wissenschaftlichen Ausrichtung: Statt wie geplant den Weg eines Volkskundlers und Kulturwissenschaftlers einzuschlagen, wurde ich Keltologe mit mediävistischem Schwerpunkt. Auch wenn ich meine Qualifikationsarbeiten dann bei anderen geschrieben habe, so beeinflusst meine Freiburger Prägung noch heute meinen Unterricht.
Es gab viel, was man bei Frau Tristram lernen konnte: Wie man erfolgreich Forschungsprojekte initiiert und leitet, wie man Tagungen organisiert und die Ergebnisse publiziert, wie man trotz beschränkter finanzieller Mittel ein für den wissenschaftlichen Nachwuchs förderliches Umfeld gestalten kann, wie positiv sich flache Hierarchien auswirken, wie man sich auch als Frau mit Familie in einer (damals noch mehr als heute) männerdominierten Universitätshierarchie durchsetzen kann – und selbst aus persönlich empfundenen Mängeln konnte man lernen, etwa, wie sich akademische Lehre noch besser und intensiver gestalten lässt, oder dass man bei der Vergabe von Themen für Qualifikationsarbeiten immer auch streng auf die Durchführbarkeit achten muss.
Viele – mich eingeschlossen – sind Hildegard Tristram für ihr Freiburger Wirken in der Keltologie zu Dank verpflichtet. Zum Ausdruck kommt das in unserer von mir herausgegebenen Festgabe für Hildegard L. C. Tristram, überreicht von Studenten, Kollegen und Freunden des ehemaligen Faches Keltologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Berlin: curach bhán, 2009). Ein Jahr zuvor schon war ihr als Anerkennung für ihre innovative Herangehensweise bei der Erforschung der mittelalterlichen irischen Literatur und für ihre Vernetzung irischer und deutscher Akademiker die Ehrendoktorwürde der National University of Ireland (NUI) in Dublin verliehen worden.
Ein letztes Buchvorhaben, in dem die Ergebnisse ihrer langjährigen Forschungen zur Táin bó Cuailnge zusammengefasst werden sollten, konnte aufgrund einer Erkrankung nicht mehr von ihr zum Abschluss gebracht werden. Es besteht aber Anlass zur Hoffnung, dass das Buch posthum im Verlag curach bhán erscheinen wird, ein Verlag, dessen Gründer Daniel Büchner ebenfalls einer ihrer Schüler in Freiburg war. – Grásta ó Dhia ar a hanam.
Gisbert Hemprich
Absage des Bonner Thurneysen-Colloquiums
Aufgrund der Restriktionen, die seit dem Auftreten der Covid-19-Pandemie verordnet wurden, kann das Thurneysen-Colloquium leider nicht wie geplant im August 2020 stattfinden. Wir hoffen, die Veranstaltung im August 2021 durchführen zu können.
Thurneysen Colloquium 2020 in Bonn Cancelled
Unfortunately, due to the restrictions which have put in place since the outbreak of the Covid-19-pandemic the Thurneysen Colloquium can not take place as planned for August 2020. We hope to hold the event in August 2021.
Die Keltologie Bonn ist eine Abteilung innerhalb des Instituts für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie.
Hier finden Sie wichtige Informationen zum Studiengang, zu unseren Veranstaltungen sowie Möglichkeiten, sich weiter über das Fach zu informieren.
Wenn Sie weitere Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, mit unserem Personal Kontakt aufzunehmen.
Den Fachausschuss Keltologie erreichen Sie unter keltenfa (bitte @uni-bonn.de hinzufügen [Spamschutz]). Weitere Informationen auch unter Abteilung Keltologie - Fachausschuss Keltologie.
Das Fach Indogermanistik wird an der Universität Bonn nicht mehr angeboten.
Informationen zu diesem Fach finden Sie unter folgenden Links:
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