Neuerwerbungen
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Das besondere Buch
An dieser Stelle möchten wir jeweils ein besonders wichtiges, seltenes oder auch schönes Buch aus den aktuellen Neuerwerbungen herausgreifen und kurz vorstellen. Diesmal:
Feargal Ó Béarra: "An Tromdhámh". Indeabhán, Co. na Gaillimhe: 2018.
"An Tromdhámh" >Die lästige Dichterschar< beruht auf einem berühmten Text aus der Periode des Klassischen Irischen (Frühneuirischen), nämlich auf dem schwierigen satirischen Text mit Titel "Tromdámh Guaire" >Die lästige Dichterschar des Guaire< aus dem 14. Jahrhundert. Feargal Ó Béarra, der lange Zeit als Keltologe in Freiburg, Wuppertal, Bonn (2000–2003), Galway und Boston gearbeitet hat, gelingt es kongenial, die Vorlage ins moderne Irische zu übertragen. Das Ergebnis liegt in einem ansprechenden Band vor, der im Verlag "Leabhar Breac" erschienen ist. Der Text ist anspruchsvoll, die Sprache ist elaboriert und nicht leicht zu rezipieren.
Das Buch gewann im Jahr 2019 einen wichtiger Preis, der auf Irisch "Gradam Uí Shúilleabháin" heißt und auf Englisch meist als "Gaelic Book of the Year Award" bezeichnet wird. Er wurde Darach Ó Scolaí als Verleger und Feargal Ó Béarra als Autor zugesprochen, was Verlag und Autor gleichermaßen ehrt. Alljährlich wird dieser Preis im Rahmen von "Oireachtas na Gaeilge", dem seit 1897 von Conradh na Gaeilge (the Gaelic League) organisierten Kulturfestival, verliehen. Für die Wertung werden neben dem Text selbst Kriterien wie die Sorgfalt bei der Buchherstellung, die Qualität von Einband und Schutzumschlag sowie die Typographie herangezogen.
Inhalt
Die Geschichte "An Tromdhámh" spielt im 7. Jahrhundert. Die zentrale Figur ist König Guaire aus Aidne, dem eine legendäre Großzügigkeit und uneingeschränkte Gastfreundschaft zugeschrieben wird. Zu ihm kommen eines Tages die Dichter Irlands mitsamt ihrem jeweiligen großen Gefolge.
Die Besucher nützen die Gastfreundschaft des Königs maßlos aus, werden zunehmend lästig mit all ihren immer absurder werdenden Forderungen und mißbrauchen ihre Stellung als mächtige und gefürchtete Dichter.
Guaire aber hat einen Bruder, Marbhán, einen weisen Mann und Schweinehirten. Diesem Marbhán gelingt es schließlich durch einen Trick, die Dichterschar wieder loszuwerden:
Er verlangt von ihnen, ihn eines Abends mit der Erzählung "Táin Bó Cuainge" >Das Wegtreiben der Rinder von Cuailnge< zu unterhalten. Diese Forderung können sie aber nicht einlösen, denn diese Erzählung ist den Dichtern unbekannt. Sie war längst dem Vergessen anheim gefallen.
Marbhán legt einen Fluch auf sie, sodass sie solange nicht zwei Nächte in Folge unter ein und demselben Dach verbringen können, bis sie die Geschichte wieder aufgefunden haben. Um das Gesicht nicht zu verlieren, zieht die lästige Schar los, in der Hoffnung, irgendwo in Irland und Schottland die verlorene Geschichte doch noch aufzuspüren.
Eines Tages erfahren sie, dass allein der legendäre Held und Krieger Fergus mac Róich noch die ganze Geschichte wusste. Aber dieser Fergus ist schon seit langer Zeit verstorben! Durch dichterische Magie wird er aus seinem Grab hervorgerufen und erzählt den Dichtern die Rinderraubsgeschichte in voller Länge.
Nun endlich können die Dichter Marbhán die geforderte Erzählung "Táin Bó Cuailnge" vortragen. Der Fluch wird aufgehoben, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Dichter Irlands einzeln in ihre Heimatprovinzen zurückkehren und sich nie wieder zu einer solch machtmißbrauchenden Schar zusammenrotten würden.
Feargal Ó Béarra: "An Tromdhámh". Indeabhán, Co. na Gaillimhe: 2018; 100 Seiten, eine Karte.
Signatur: EY 244
Vergangene Bücher:
Gisbert Hemprich: Rí Érenn – »König von Irland«: Fiktion und Wirklichkeit. Berlin 2015.

Tatsächlich ist diese zweibändige Monographie zur irischen Oberherrschaft weit mehr als es der Titel verspricht. Es stehen nicht nur Könige im Mittelpunkt, sondern es wird eine Übersicht über fast die gesamte literarische Überlieferung Irlands geboten. Die Quellen reichen von der altirischen Periode bis in neuirische Zeit. Die irischen Oberherrscher liefern "einen zentralen Schlüssel zur Literatur des irischen Mittelalters" und sind ein extrem wichtiger, über viele Jahrhunderte wirkmächtiger Aspekt irischer Kultur.
Das Quellenkapitel im ersten Band zeigt, dass tatsächlich fast alle überlieferten Textgattungen mit irischen Oberherrschern assoziiert sind. Den Spuren all dieser Könige wird in den Annalen, Genealogien, historiographischen Erzählungen und Gedichten nachgegangen. So kommt eine riesige Zahl an Referenzen zusammen. Einige dieser Quellen werden im zweiten Band herausgegeben und übersetzt, darunter auch eine ganze Reihe von editiones principes. Aus den bekannten und den neuen Quellen extrahiert der Autor schließlich ein umfangreiches "Dossier der Oberherrscher", das 281 Einträge umfasst, kanonische wie nicht-kanonische, fiktive wie historische, männliche wie (wenige) weibliche.
Mit diesem völlig neuen Ansatz verlässt der Autor die überkommenen, noch aus dem 19. Jh. stammenden Pfade der irischen Literaturwissenschaft. Er zeigt, dass die Oberherrscher den traditionellen Bezugsrahmen für fast die gesamte irische Literatur bilden. Erst, wenn man jene zum Ausgangspunkt nimmt, lässt diese sich verstehen. Doch dazu muss die ungesunde Fokussierung auf erzählende Texte und die unhistorische Aufteilung in Zyklen überwunden werden, der man bis heute noch oft begegnet.
Der erste Band enthält darüber hinaus Konkordanzen zu den historiographischen Quellen, eine wertvolle Handreichung für zukünftige Forschungen, der zweite das weit über 1000 Einträge umfassende Literatuverzeichnis und ein überaus praktisches Register sämtlicher im Buch behandelter Namen, Texte und Orte, das aber auch Stichwörter wie Augenzeugenschaft, Interpolation, Kuh, Urin, Zwerg und viele andere mehr beinhaltet.
Irene Balles.
2 Bde.: Teil 1: Oberherrscher und Oberherrschaft in Irland. Teil 2: Texte und Übersetzungen, Register. Berlin: curach bhán publications, zweite durchgesehene und verbesserte Auflage, 2015 (Bonner Beiträge zur Keltologie, Band 2/1 & 2/2). ISBN: 978-3-942002-24-0; 18 x 25cm; 963 Seiten mit 34 Tabellen und 44 Abbildungen. Signatur: EY 220 H491